Beachmaa is ma aa ohne Uniform“ – Das Leben des Sepp Zangl
Sepp Zangl der letzte Bergmann aus der Bergmannssiedlung Feuerhof
Josef, wie er amtlich hieß, wurde am 15. Juli 1937 als zweites von sieben Kindern geboren. Der Vater, Ludwig Zangl, ebenfalls Bergmann, stammte aus Steiningloh zwischen Immenstetten und Mimbach, die Mutter Katharina Meyer stammte aus Breitenbrunn.Die beiden zogen mit den zwei Söhnen 1939 in ihr neu gebautes Haus, in der Bergmannssiedlung am Feuerhof. Das war zwar nicht groß, bot aber für die damalige Zeit ausreichend Platz für die junge Familie und die fünf Kinder, die im Lauf der Jahre hinzukamen.
Das Leben der Eltern war von Arbeit geprägt. Die Bergmannssiedlung war darauf ausgelegt, dass sich die Bewohner auf den etwa 1000 m² großen Grundstücken selbst versorgen und Kleintiere halten konnten.
Der Sepp wuchs mit vielen Kindern in der Nachbarschaft auf und lernte bald, was es hieß, in einer Bergmannssiedlung zu leben. Bis zur Schule gab es unzählige Möglichkeiten zum Spielen, aber auch die Erkenntnis, dass Ruhe sein musste, wenn der Vater oder der Nachbar Nachtschicht hatten. Das schränkte alle lauten Aktivitäten in der Umgebung der Häuser ein und wer sich nicht daran hielt, bekam Ärger.
Im schulpflichtigen Alter spielten die Buben ohnehin nicht mehr am Haus. Ihr Abenteuerspielplatz waren die Bruchfelder oder das Bartlhölzl. Dort waren sie unbeobachtet und das Gelände bot alles, was für sie interessant war.
Wie in einem Bergmannshaushalt üblich, gehörte Karbid zum Leben. 5 kg davon bewahrte der Vater meist in einer Blechdose im Waschhaus auf. Dort hing auch seine Karbidlampe, weil sie immer etwas nach Gas roch. Die Jungen zweigten meist ein paar Brocken der grauen Steine für sich ab. Sie brauchten sie zum Sprengen oder Schießen. Gesprengt wurde mit einer Glas-Bügelflasche. Dort wurde ein kleiner Karbid-Brocken hineingedrückt, dann wurde kräftig hineingespuckt und die Flasche verschlossen. Wenige Minuten später knallte es und das Glas wurde zerfetzt.
Geschossen wurde mit leeren Farbdosen, in die hinten ein kleines Loch gebohrt war. Auch hier wurde ein kleines Stück Karbid hineingelegt. Man spuckte darauf und drückte den Deckel fest. Hielt man nach etwa 30 Sekunden ein Streichholz ans „Zündloch“, explodierte die Ladung und mit einem lauten Knall flog der Deckel davon. Diese Form des Schießens war weniger gefährlich, weil es im ungünstigsten Fall nur die Dose zerriss, aber keine Splitter flogen.
Der Sepp erzählte auch davon, dass sie mit selbst gebauten Steigeisen Krähennester ausgenommen haben. Wenn sie die Krähen fangen konnten, wurden sie gelegentlich auch am offenen Feuer gebraten.
Sein Ärgernis war der Nachbar, mit Spitznamen Wurstl, auch ein Bergmann. Er war in der Nachbarschaft als sehr unfreundlich bekannt und lag außerdem noch mit seinem Vater im Streit. Als er nach vielen Versuchen auf seinen Gruß immer noch keine Antwort bekam, hat der Sepp ihm das „Arschlecken“ angeboten - so war er eben.
Für heutige Verhältnisse waren seine ersten Arbeitsverhältnisse, nach Abschluss der Schule, unvorstellbar. Lehrstellen bei Handwerkern gab es so gut wie nicht. Wie viele Volksschulabgänger musste er eine Arbeit bei Bauern annehmen. So wurde er mit 14 Jahren (1951) Hütejunge in Höfling im Birgland. Das war über zwei Stunden Fußweg vom Feuerhof entfernt. Also musste er dort übernachten. Der Lohn ist in der Sozialversicherungskarte zwar mit 200 Mark angegeben, tatsächlich wurde er aber (nur) mit Naturalien (Kartoffeln) bezahlt. Ein Jahr (1952) später war er als Knecht bei einem Bauern in Rummersricht. Dort hatte er, nach seinen eigenen Worten, so wenig zu essen bekommen, dass er immer wieder zu seinen Eltern am Feuerhof ging, um sich satt zu essen. In den Jahren 1953 und 1954 arbeitete er als Knecht am Lindhof, bis er am 1.1.1955 beim Bartl am Feuerhof als Fuhrknecht anfing. Dort transportierte er mit dem Pferdefuhrwerk Langholz zur Grube Kaoline und verdiente im Jahr fast 1.300 Mark. Obwohl es ihm beim Bartl gut ging, wollte er endlich mehr verdienen.
Da bot sich der „Oarzbeach“ an, in dem der Vater seit vielen Jahren arbeitete. Sepp, inzwischen 18 Jahre als, fragte den damaligen Betriebsleiter Steberl, ob man Arbeit für ihn habe. Der wollte sich „erkundigen“. Wie so oft in den Bergwerken, spielte der Vater bei der Einstellung eine Rolle, denn der war dem Steiger als guter Bergmann bekannt und damit brauchte der Sohn keine lange Erklärung liefern. Bereits eine Woche später, am 16.2.1956, konnte er auf der Grube Karoline zur Mittagsschicht erstmals anfahren. Dort arbeitete er mit dem Vater, vor Ort, in einer Gruppe zusammen und verdiente im Jahr 1957, im 3-Schicht-Betrieb, über 5.500 Mark.
Nun war beim Sepp die Begeisterung für den Bergbau geweckt. Er arbeitete fortan im Klenzeschacht und nach dessen Schließung im St.-Anna-Schacht und der Richtstrecke nach Großenfalz. Selbstverständlich war er ab dem ersten Arbeitsmonat, wie sein Vater auch, Mitglied im Bergknappenverein. Eine Bergmannstracht allerdings hat er nie besessen, weil er meinte, „Beachmaa is ma aa ohne Uniform“.

70. Geburtstag mit der Bergknappenkapelle
Am 28.11.1971 heiratet er Anna Erl aus Kastl und beginnt 1972 mit dem Hausbau, in der hinteren Feuerhofsiedlung. Nebenbei engagiert er sich beim „Annabergdienst“. Das ist eine Gruppe von Bergleuten, die für die Kirche auf dem Annaberg Dienste verrichten. Dazu gehört es, die Kirche aufzuschließen, die Uhr aufzuziehen, Vorbereitungen für Gottesdienste zu treffen.

Bergleute als „Annaberghelfer“
Außerdem hilft er viele Jahre beim Fahrdienst der ökumenischen Sozialstation. Im 1964 beim Bartl gegründeten Bergmannsstammtisch "Saubere Platten und wuchtige Zinken" war er der letzte verbliebene „Oarzgrowa“. Bis 2023 war er Jahrzehnte auch dessen erster Vorstand.
Ein tiefer Einschnitt für den überzeugten Bergmann war die Schließung des St.-Anna-Schachtes am 30.07.1974 – der Anfang vom Ende. Doch noch geht es für ihn weiter, am Eichelbergschacht - bis auch der am 31.03.1977 geschlossen wird. Damit war die Erzgräberei in seiner Heimatstadt zu Ende. Aber, wie viele unserer Bergleute, findet er mit 40 Jahren noch mal eine neue Stelle in der Grube Leonie Auerbach. Dort erlebt er einen anderen Bergbau, als er ihn von Sulzbach her kennt. Das Erz wird mit großen Abbaumaschinen hereingewonnen und mit Lastwagen zum Schacht transportiert. Man kann sich vorstellen, wie groß die Streckenquerschnitte waren. Starke Wasserzuflüsse aus dem Karst erschweren die Arbeit und fließen als reißender Wildbach zu den Pumpen. Am Abbauort muss meistens die „Wassermontur“ getragen werden. Das bedeutet, dass die Arbeiter am Schichtende völlig durchgeschwitzt sind.
Das schlimmste Erlebnis seines Bergmannslebens war der Einbruch des Speckbaches in die Grube Leonie in Auerbach.

Der Sepp (links) im Kreis seiner Kameraden. Ausschnitt aus einem Bild im Museum Auerbach.
Dennoch ist Sepp Zangl enttäuscht, als 1987 auch in Auerbach Schicht im Schacht ist. Da ist er gerade 50 Jahre alt; zu früh zum Aufhören. Deshalb kommt er im Rahmen des Sozialplans als Pförtner in die Maxhütte nach Rosenberg. Dort gefällt es ihm gar nicht, weil er eben sein Leben lang in der Kameradschaft unter Tage gearbeitet hat. Aber am 31.7.1997 hat er als langjähriger Bergmann das Rentenalter erreicht und hört nach 41 Jahren, davon über 30 unter Tage, auf. Von da an genoss er seine Bergmannsrente und kümmerte sich, neben seinem sozialen Engagement, um Haus und Garten. Leider ist er die letzten Jahre schwer erkrankt, konnte alleine nicht mehr das Haus verlassen. Seine Leidenschaft allerdings war und blieb der Bergbau. Das merkte man, wenn man sich mit ihm über die Sulzbacher Gruben unterhielt. Er hatte ein erstaunliches Erinnerungsvermögen an seine Arbeit. Auch im hohen Alter interessierte ihn das einstige Wirken im Bergwerk. Am 11. März 2025 verstarb er nach längerer Krankheit. Mit ihm hat der letzte Bergmann die einstige Bergarbeitersiedlung Feuerhof verlassen.
i Durch wolkenbruchartige Niederschläge nahm am 6. Juni 1984 die Wassermenge im Speckbachgerinne, 150 Meter vom Wetterschacht Reichenbach entfernt, um das nahezu hundertfache auf über 1000 Kubikmeter pro Minute zu. Das Wasser brach nach dem Wegspülen der Bachbettsohle in einem großen Schluckloch ein, das Verbindung zum Grubengebäude hatte. Dadurch drohte die gesamte Grube Leonie abzusaufen! Nur durch massive Rettungsmaßnahmen konnte ein weiteres Eindringen der Wassermassen in den Untergrund verhindert werden.